Soll ich mich beruflich nochmal verändern?

Noch nie standen uns so viele Job-Möglichkeiten offen wie heute. Aber die schiere Anzahl der möglichen Karrierewege ist nicht immer Anlass zur Freude. Denn sie stellt uns buchstäblich vor die Qual der Wahl.

Die Qual der Wahl

Ich beziehe ein gutes Gehalt, habe eine relativ sichere Stelle, das Team ist mir vertraut, ich kann aus dem Home Office arbeiten und mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Warum also wechseln? Aber dann ist da dieses nagende Gefühl: War das jetzt schon alles? Muss es nicht noch etwas anderes geben?

Und da ist dieser mögliche neue Job, die Aufgabe klingt spannend, das Gehalt auch, ABER viel Reisetätigkeit, ein neues Arbeitsumfeld, ein neuer Chef, ich müsste ganz von vorn beginnen. Ist es mir das wert?

Wenn ich mich beruflich verändern möchte, sollte ich mich fragen, wie passt der neue Job zu meinem Lebensmodell. Ist es mir das wert?

Eine berechtigte Frage. Und genau da müssen wir ansetzen! Unser Bedürfnis nach beruflicher Neuorientierung ist Ausdruck unserer Identität, die sich über die verschiedenen Lebensphasen hinweg immer wieder verändert. Was mir mit Mitte 20 wichtig war, ist inzwischen vielleicht abgelöst worden durch bspw. meine eigene Familie, eine Immobilie, die Pflege kranker Eltern, etc.

Was ist mir also aktuell überhaupt wichtig?

Will ich Karriere machen?

Will ich mich inhaltlich selbst verwirklichen?

Will ich mehr Zeit haben für mich, für meine Familie?

Darauf muss ich meine persönliche Antwort finden, denn sonst kann ich keine bewusste Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Job treffen, der ja immer als Gesamtpaket daherkommt. Denn es ist ja nicht nur die neue Aufgabe oder das bessere Gehalt, das lockt, es ist auch das Arbeitsumfeld, die räumliche Veränderung, die Arbeitsbedingungen, die Perspektive, etc. die damit einhergehen. All das sollte ich abwägen und mich fragen: Passt das zu mir und meinem aktuellen Lebensmodell?

Triff eine Entscheidung und leb‘ damit!

Es steckt viel Wahrheit in diesem Satz, aber das macht es natürlich nicht einfacher, ihn umzusetzen. Denn Abstriche machen wir alle nicht gerne. Aber wenn wir sie schon machen müssen, dann doch bitte bewusst und im Einklang mit meinen persönlichen Prioritäten!

Ich habe festgestellt, dass es hilft, den Blick in die Zukunft zu schwenken, mir vorzustellen ich bin 90 Jahre alt und blicke auf mein Leben zurück: Was will ich dann erlebt und erreicht haben? Dadurch kristallisiert sich oft die Qualität neuer Job-Optionen klarer heraus und erleichtert mir die Antwort auf die Frage: Ist es mir das wert? Denn egal wie ich mich dann entscheide, es bleibt das Gefühl, es selbst in der Hand zu haben und ich kann meinen Frieden damit machen. Nichts ist frustrierender als das Gefühl „Ich hatte keine Wahl“ oder „Es ist eben einfach so gekommen“. Allerdings bedarf die Entscheidung für einen neuen beruflichen Schritt oft noch den Schubs aus der eigenen Komfortzone heraus.

Tatsächliches vs. gefühltes Risiko

Denn während die persönlichen Prioritäten immer ein guter Grund sind, sich für oder eben gegen einen bestimmten beruflichen Weg zu entscheiden, ist meine Komfortzone ein denkbar schlechter Grund. Aus meiner Komfortzone heraus betrachtet, schätze ich das Risiko von Veränderung auch immer größer ein, als es tatsächlich ist, denn meist ist es erst einmal nur ein gefühltes Risiko, das sich häufig nicht bestätigt. Um diese Risikoeinschätzung zu verändern, muss ich aber selbst aktiv werden.

Ich empfehle jedem, zu Anfang der Neuorientierungsphase eine „Bedenkenliste“ anzulegen. Hier schreibe ich alles auf, was mich belastet und vom Wechsel abhält. Sobald ich dann konkreter werde in den neuen Jobüberlegungen, also in die Selbstreflexion einsteige, Stellenanzeigen screene, Interviews führe, mein Netzwerk erweitere, … bauen sich, meiner Erfahrung nach, viele dieser Bedenken ab. Ein Klassiker ist bspw. „Ich gebe einen sicheren Job auf.“ Oftmals ist dieser sichere Job aber eine Illusion, denn was ist heute überhaupt noch sicher? Gerade die Erfahrung der letzten 2 Jahre hat uns doch gezeigt, wie volatil der Arbeitsmarkt ist. Am Ende behauptet sich, wer in sich selbst investiert und offen für neue Chancen bleibt.

Ein weiterer klassischer Punkt auf der Bedenkenliste, den ich oft höre ist: „Dafür bin ich nicht gut genug.“ Ist das wirklich so? Was habe ich denn in der Vergangenheit schon alles geschafft? Worin liegen meine Stärken? Auf diese Art der Selbstreflexion kann es mir gelingen, meine Glaubenssätze Schritt für Schritt aufzulösen. Denn sie existieren nur in meinem Kopf, verbauen mir aber viele Chancen.

Dann gibt es da noch die reellen Bedenken, wie fehlende finanzielle Absicherung. Natürlich muss ich mir überlegen, welche finanziellen Verpflichtungen ich aktuell habe, wie groß mein Puffer ist und wie viel Geld ich mindestens verdienen muss. Aber erst wenn ich hier konkrete Zahlen aufs Papier gebracht habe, kann ich überlegen, wie ich diesen Aspekt in die berufliche Neuorientierung mit einfließen lasse. Ich muss ja bspw. nicht gleich kündigen, sondern kann auch nebenberuflich beginnen, mich neu zu orientieren. Denn der Druck, den eine plötzliche Arbeitslosigkeit mit sich bringt, ist nicht zu unterschätzen und Druck ist niemals eine gute Bedingung für eine berufliche Neuorientierung. Der Hang und der Drang zu nicht durchdachten Schnellschüssen ist groß.

Wichtig dabei ist aber, mir konkrete Zeiten dafür in meinem Kalender zu blocken. Das kann 1 Stunde pro Woche sein, besser 2. Und die Erfahrung zeigt, wenn ich einmal angefangen habe, mich konkret mit dem Thema zu beschäftigen, dann räumen ich ihm automatisch mehr Zeit ein, weil es mich plötzlich „packt“. Was hingegen nie funktioniert ist, darauf zu hoffen, dass die Erleuchtung einfach so nebenbei kommt.

„Es wird sich schon das Richtige finden“ – Vergiss es!

Einer beruflichen Veränderung können wir nicht passiv begegnen, nach dem Motto: „Es wird sich schon das Richtige ergeben.“ Wird es nicht! Denn wir sind in der Regel beruflich und auch privat so eingespannt, dass wir uns nicht bewusst die Zeit nehmen, herauszufinden, was wir eigentlich wirklich wollen. So können Monate und Jahre vergehen, in denen wir unzufrieden sind, aber uns dennoch nicht wirksam verändern. Wie auch? Wie kann ich auf das Richtige hoffen, wenn ich selbst keine Klarheit darüber habe, was das Richtige für mich ist? Und vor allen Dingen, wenn ich es nicht ausprobiere!

Denn irgendwann kommt der Zeitpunkt, wann ich aus dem Gedankenkarussell heraus und ins Handeln kommen muss. Das kann die Annahme einer neuen Stelle sein oder auch zunächst ein nebenberufliches Projekt, in dem ich meine Idee austeste. Ich spreche hier gerne von Job-Prototypen, also eine konkrete Möglichkeit, meine Idee im Kleinen zu testen, mich ranzutasten, neu zu justieren.

Durch diese Art der praktischen Erfahrung wird mir die „Qual der Wahl“ dann auch nicht mehr wie eine Qual erscheinen, sondern wie eine echte CHANCE, den Job zu finden, der zu mir und meinem aktuellen Lebensmodell passt!

 

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