Führungspersönlichkeit entwickeln. Gewusst wie!

Es gibt viele Führungskräfte aber nur wenige davon fallen uns als Führungspersönlichkeit ins Auge. Woran liegt das? Und wie wird man überhaupt zur Führungspersönlichkeit? Persönlichkeit formt sich durch Selbstreflexion und Selbsterkenntnis. Allen voran steht hier die Frage nach dem eigenen Sinn und Zweck: „Was ist mir bei der Arbeit wichtig – jenseits von Geld verdienen? Was motiviert mich im Innersten? Was macht mich im Kern aus?“ Im Wesentlichen sind es somit zwei Aspekte, die mich als Persönlichkeit definieren: 1. Meine Stärken & Ressourcen und 2. meine Werte. In diesem Artikel teile ich 4 best practices mit dir, um deiner Führungspersönlichkeit auf die Spur zu kommen.

Führungspersönlichkeit und verknüpfte Erwartungen

Führungspersönlichkeit bedeutet du selbst zu sein

Die Erwartungen, die andere an mich als Führungspersönlichkeit stellen, sind eng verbunden mit der Frage: Wie möchte ich als Führungskraft oder -Persönlichkeit wahrgenommen werden?

Diese Frage höre ich immer wieder, wenn ich mich mit neuen oder angehenden Führungskräften unterhalte. Mir kommt dann immer sofort eine Gegenfrage in den Sinn: Warum möchtest du als Führungskraft anders wahrgenommen werden als der, der du bist? Der Philosoph Ralph Waldo Emerson hat einmal den klugen Satz gesagt:

„Du selbst zu sein in einer Welt, die ständig einen anderen aus dir machen will, ist der größte Erfolg von allen.“

Das trifft auf Führungskräfte wohl in besonderem Maße zu. Denn sie stehen in einem besonderen Spannungsfeld zwischen den Anforderungen der Chefetagen, den Erwartungen ihrer Mitarbeiter, den eigenen Erwartungen und den kritischen Augen ihrer Kollegen. In diesem Sinne ist es also tatsächlich ein Erfolg „ich selbst zu sein“. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass ich überhaupt weiß, wer ich bin und wofür ich stehe. Insofern ist die entscheidende Frage nicht „Wie möchte ich als Führungskraft wahrgenommen werden?“, sondern: „Wer bin ich? Wofür stehe ich?“ Und das unabhängig davon, ob ich in der Rolle der Führungskraft oder Privatperson bin. Denn mein Wertesystem bleibt dasselbe.

Was ist überhaupt Führungspersönlichkeit?

Starten wir also damit unsere Persönlichkeit (wieder) zu entdecken. Mit Persönlichkeit verbinden wir eine gewisse Reife und Charakterstärke. Wikipedia steuert entsprechend die folgende Definition bei: „Der Begriff Persönlichkeit (abgeleitet von Person) hat die Individualität jedes einzelnen Menschen zum Gegenstand und bezeichnet meist einen lebenserfahrenen, reifen Menschen mit ausgeprägten Charaktereigenschaften.“ Individualität, Reife, Charakterstärke stechen also heraus. Wer will dieser Definition nicht gerne entsprechen? Für mich ist Persönlichkeit übrigens keine Frage des Alters. Vielmehr formt sich eine Persönlichkeit durch Selbstreflexion und Selbsterkenntnis. Allen voran steht hier die Frage nach dem eigenen Sinn und Zweck: „Was ist mir bei der Arbeit wichtig – jenseits von Geld verdienen? Was motiviert mich im Innersten? Was macht mich im Kern aus?“

Im Wesentlichen sind es somit zwei Aspekte, die mich als Persönlichkeit definieren: 1. Meine Stärken & Ressourcen und 2. meine Werte.

Führungspersönlichkeit entwickeln auf Basis meiner Stärken & Ressourcen

Individualität begründet sich vor allen Dingen im Zusammenspiel unserer persönlichen Stärken. Doch Stärken sind nicht naturgegeben. Wir müssen diese erst aus unseren Fähigkeiten heraus entwickeln. Ich bin ein großer Fan von „Stärken stärken“. Leider bewegen wir uns häufig in einem Umfeld, das bestimmte Kompetenzen von uns erwartet. In Feedbacks erhalten wir dann häufig die Rückmeldung, woran wir noch arbeiten können, um bestimmte Benchmarks zu erreichen. Die vorhandenen Stärken werden wohlwollend abgenickt aber nicht weiter thematisiert. Was für eine Verschwendung! Denn wirklich einzigartig werden wir nur dann, wenn wir unsere Stärken stärken.

Dazu teile ich im Folgenden zwei best practices mit dir, um deinen persönlichen Stärken auf die Spur zu kommen und diese auszubauen:

Best practice #1: Zufriedenheitsmoment analysieren

Unsere Selbsterkenntnis lässt sich anhand von richtungsweisenden Kernfragen unterstützen. Effektiver wird es aber, wenn wir uns anhand einer konkreten Erfahrung reflektieren. Situationsspezifisch entdecken wir häufig andere Qualitäten als generell und theoretisch gedacht.

Am besten eignet sich ein Moment purer Zufriedenheit, den wir im beruflichen Alltag / in unserer Führungsverantwortung erlebt haben. Ein Moment, in dem wir mit unserem Können und Handeln zu dieser Zufriedenheit beigetragen haben. Erinnerst du dich an solch einen Moment? Schließe deine Augen und vergegenwärtige dir diese Situation noch einmal in allen Einzelheiten:

Eigene Persönlichkeit beleuchten und Selbsterkenntnis verbessern, z.B. durch Reflexion eigener StärkenWo bist du jetzt gerade?

Was tust du hier konkret?

Welche Fähigkeiten setzt du ein?

Worauf bist du stolz?

Beschreibe dein Handeln und achte auch einmal auf die Verben, die du zur Beschreibung nutzt. Organisieren? Managen? Unterstützen? Präsentieren? Analysieren? Vermitteln? … Oft zeichnet sich hier schon ein gewisses Muster ab, das unsere Stärken beschreibt. Gelingt es uns, uns auf diese Stärken zu konzentrieren und sie weiterzuentwickeln, dann zeigen wir unsere Individualität.

Best practice #2: Stärken stärken

Geh’ einmal in dich und liste all deine Stärken auf. Mindestens 10 sollten dir einfallen. Frag’ auch deine Freunde, Familie und Kollegen nach Feedback. Schreibe dann jede deiner Stärken auf eine Karte und lege dir den Kartenstapel zum Beispiel neben dein Bett. Ziehe jeden Morgen eine Karte aus dem Kartenstapel und fokussiere diese Stärke ein paar Sekunden lang. Überlege was heute ansteht und wie du diese Stärke dafür einsetzen kannst. Du hast „überzeugend“ aus deinem Stärken-Stapel gezogen? Wie kannst du deine Überzeugungskraft im heutigen Team Meeting nutzen? Am Abend kannst du dir noch einmal in Erinnerung rufen, wie du deine Stärke heute eingebracht hast: Mit welchem Ergebnis? Wie hat es sich angefühlt? Wie könntest du deine Stärke beim nächsten Mal noch gezielter einsetzen?

Der Tag war stressig und du hast vergessen, dass du deine Überzeugungskraft heute stärker einsetzen wolltest? Nicht schlimm. Der Clou ist, dass du deine Stärke schon allein dadurch weiterentwickeln kannst, indem du sie morgens ein paar Sekunden lang fokussierst. Dadurch machst du dein Unterbewusstsein auf diese Stärke aufmerksam und sie wird dich über den Tag begleiten. Das Ganze entfaltet natürlich erst über einige Wochen hinweg seine Wirkung. Am effektivsten ist es, wenn deine Stärken-Fokussierung zur täglichen Routine wird. Weiterführende Tipps zum Ausbauen deiner Stärken findest du auch im Buch „Der Stärken Code“.

Führungspersönlichkeit entwickeln auf Basis meiner Wertvorstellungen

Um Führungspersönlichkeit zu entwickeln sollte man seine persönlichen Werte kennen und diese klar vertreten

Wen erlebst du als charakterstark? Was macht diese Charakterstärke aus? In der Regel sind unsere persönlichen Werte dafür maßgeblich. Und ich rede hier nicht von Führungswerten, wie Vertrauen, Respekt, etc., die Führungskräften allgemein zugeschrieben werden. Ich rede von unseren ganz persönlichen Werten, die unser Handeln leiten, zu unserer Entscheidungsfindung beitragen und unsere Motivation beeinflussen. Ein klares Wertegerüst ist gleich aus mehreren Gründen entscheidend: 1. Nur wenn ich ein klares Wertegerüst habe, kann ich meine Erwartungen klar äußern und so auch für meine Mitarbeiter transparent sein.

2. Ich verstehe besser, was mich innerlich antreibt. Ein Beispiel: Ein neues Projekt steht an und verlangt über die nächsten 8 Wochen hinweg Arbeit an den Wochenenden. Ich bin alles andere als motiviert, während mein Kollege eifrig mit dem Kopf nickt. Der Motivationsunterschied begründet sich in einem anderen Wertegerüst. Während mir persönlich vielleicht die Zeit mit meiner Familie sehr wichtig ist, steht bei meinem Kollegen die Karriereleiter ganz oben in der Wertehierarchie. Somit verträgt sich die zusätzliche Arbeit nicht mit meinem Wertegerüst, ist aber konform mit dem meines Kollegen. Allein diese Einsicht ermöglicht mir eine Lösungsorientierung, anstatt in meinem Frust zu schmoren. 

3. Ermöglicht mir ein klares Wertegerüst, meine persönlichen Werte mit den Unternehmenswerten abzugleichen und diese dann auch glaubhafter zu vertreten.

Und 4. kommt uns als Führungskraft immer auch eine integrative Aufgabe zu. Es ist eine echte Herausforderung, aus einer Gruppe von Menschen ein echtes Team zu bilden. Werte und Wertschätzung helfen dabei, denn die Diskussion darüber stabilisiert und vertieft die menschlichen Beziehungen im Team.

Im Folgenden teile ich zwei weitere best practices mit dir, mit denen du deine persönlichen Werte definieren kannst.

Best practice #3: Es geht auf Weltraum-Mission. Welche Werte reisen mit?

Stell dir bitte einmal vor, du bist Teil einer Weltraum-Mission, die von der Erde aufbricht, um einen neuen Planeten zu besiedeln. Du hast dort die einmalige Chance, komplett von Neuem zu beginnen. Du darfst aber 10 physische Dinge mitnehmen, die dir besonders am Herzen liegen (Familie/Freunde zählen als eins. Es darf auch so etwas sein wie dein Lieblings-Strand).

  1. Welche 10 Dinge nimmst du mit? – Schreib‘ sie auf.
  2. Nun reduziere diese Liste bitte auf deine Top 5. – Streiche 5 Dinge weg.
  3. Warum sind dir diese 5 wichtig? Was verbindest du mit deinen Top 5? – Schreib‘ alles auf. Dies sind deine Werte.
  4. Nun reduziere diese Werte auf deine Top 6. – Heb‘ deine favorisierten Werte farbig hervor.
  5. Schreibe diese verbleibenden 6 Werte jeweils auf einen Post It und definiere auf der Rückseite was diese Werte für dich bedeuten: Was ist für dein Leben gewonnen, wenn du diesen Wert in deinem Leben hast? – Bsp: Ich nehme mein Rennrad mit, weil ich damit Fitness verbinde und das bedeutet mir viel, weil ich mich dadurch gesund und aktiv im Alltag fühle. Ich schreibe also “Fitness” als meinen Wert auf die Vorderseite des Post It und „Gesundheit, Vitalität“ auf die Rückseite.
  6. Priorisiere deine 6 Werte nun in die Kategorien „Am wichtigsten“ / „Sehr wichtig“ / „Wichtig“ – Wähle nicht mehr als 2 Werte pro Kategorie.
  7. Wie gut lebst du diese Werte gerade auf einer Skala von 1-10? – Denk‘ darüber nach, wie sich deine Werte im Beruf und Privatleben widerspiegeln.
  8. Wie kannst du jeden deiner 6 Werte um einen Schritt steigern (also bspw. von einer 6 auf eine 7 kommen?) Was kannst du konkret dafür tun? – Schreib‘ mindestens einen konkreten Schritt für jeden deiner 6 Werte auf. Im ersten Umsetzungsschritt sollte dein Fokus auf den beiden Werten der Kategorie „Am Wichtigsten“ liegen.
  9. Wie gut lebst du aktuell deine wichtigsten Werte? Wie gut passt oder hindert dich dein Job daran? – Hieraus ergeben sich mögliche erste Veränderungsansätze!

Best practice #4: Werteabgleich mit dem Barrett Personal-Value-Assessment (PVA)

Um Werte zu beschreiben und zu messen, hat Richard Barrett ein Modell der sieben Ebenen des Bewusstseins entwickelt und jeder Ebene bestimmte Werte zugeordnet. Dahinter steht die Annahme, dass unsere Bedürfnisse bestimmen, von welcher Ebene des Bewusstseins heraus wir gegenwärtig handeln und welche Werte daher für uns wichtig sind. Gemäß den Erkenntnissen der Persönlichkeitspsychologie durchläuft eine Person im Laufe ihres Lebens die einzelnen Bedürfnisstufen und damit auch die Bewusstseinsebenen, die ihr Handeln motivieren. Sind die Bedürfnisse einer Stufe erfüllt, so kann die nächste Stufe in den Fokus rücken. Das entsprechende persönliche Werte-Assessment zeigt, welche Bewusstseinsebenen eine große oder geringere Bedeutung für uns haben und ob dort positive Werte angesiedelt sind oder (auch) potenziell limitierende Werte, also hemmende Überzeugungen, die aus unerfüllten Bedürfnissen heraus resultieren. Das Werte-Assessment kann individuell, auf Leadership-, Team- und auch auf Organisations-Ebene angewendet werden. Ich nutze gerne die kostenfreie Version des PVA, um im ersten Schritt einmal die individuellen top 10 Werte zu identifizieren. Diese dienen als gute Ausgangsbasis für die weitere Werte-Arbeit. Denn wirkungsvoll wird die Werte-Erkenntnis erst durch die individuelle Werte-Reflexion. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, einen Abgleich mit den Werten aus der oben genannten Übung zu machen. In der Übung „Weltraum-Mission“ entwickeln wir unsere Werte ja induktiv, also aus uns selbst heraus, während wir im PVA nur Werte auswählen. Es kann also durchaus zu Abweichungen kommen und im Idealfall eben zu einer großen Übereinstimmung.

Hilfreich ist auch eine weitere Fokussierung der Top 10 auf die Top 3 Werte und entwicklungsorientierte Fragen, wie: Warum sind genau diese 3 so wichtig für dich? In welchen Situationen hast du diesen Werten wirklich entsprochen? Welche Verhaltensweisen hast du gezeigt, die diese Werte unterstützt haben? Wie würdest du reagieren, wenn diese Werte durch andere missachtet würden?

Im Ergebnis: authentische Führungspersönlichkeit

Gelingt es uns, unsere Stärken und Werte auf diese Weise zu erkennen und auszuleben, dann können wir als Führungskraft authentisch sein. Dann sind wir nicht mehr nur Führungskraft, sondern Führungspersönlichkeit, die ihre Führungsrolle aktiv ausgestaltet. Ich habe neulich einen Artikel gelesen „Warum authentische Führung Quatsch ist“. Darin wurde häufig auf Donald Trump verwiesen, der ja sein Ansinnen recht unmittelbar und authentisch auslebt, ohne jeden Filter. Dennoch hat er nicht gerade Vorbildcharakter, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Doch meines Erachtens geht es bei authentischem Führungsverhalten ja gar nicht darum, sich immer so zu verhalten, wie man sich gerade fühlt. Es geht vielmehr darum, in der Mitte der persönlichen Werte und Ressourcen zu stehen und unseren Führungsstil im Einklang damit neu zu formen. Damit legen wir den Grundstein für den Erfolg, wir selbst zu sein und damit auch den Grundstein für unsere Zufriedenheit.

Thema vertiefen

Lust das Thema zu vertiefen? In meinen Einzel-Coachings und Team-Workshops haben wir die Möglichkeit, sowohl dem einzelnen als auch dem kollektiven Wachstum viel Raum zu geben. Sprich mich gerne unverbindlich an! 

Außerdem veranstalte ich im Rahmen der IHK-Weiterbildung Düsseldorf veranstalte ich regelmäßig Seminare: Von der Führungsperson zur Führungspersönlichkeit – Authentisch wirksam werden.

Weitere Informationen und Anmeldungsmöglichkeiten als IHK-Mitglied findest du unter: https://www.duesseldorf.ihk.de/system/vst/2601776?id=355629&terminId=607435