Onboarding ist Chefsache

Die Einstellung endet nicht mit Vertragsunterschrift

Stell dir vor, du hast die lang bestehende Vakanz in deinem Team endlich besetzt. Ein schwieriger Einstellungsprozess, der viel Kapazität auf deiner Seite verschlungen hat. Der neue Mitarbeiter ist vielversprechend, senior und fügt sich bestimmt schnell ein ins neue Team. Du selbst steckst gerade Mitten in einem Projektabschluss, so dass du dein Team gebeten hast, das Onboarding des neuen Teamkollegen zu unterstützen und HR ist ja auch noch da.

Soweit die Annahme. Aber in der Praxis kommt er nicht so richtig an, der erhoffte Mehrwert bleibt aus, die Stimmung im Team verschlechtert sich spürbar. 

Du bist genervt. Was als große Entlastung gedacht war, ufert plötzlich in viel mehr Arbeit aus. Außerdem beschleichen dich auch Zweifel: Hätte ich mich vielleicht doch stärker in das Onboarding des Neuen einbringen sollen? Aber was genau wird da eigentlich von mir verlangt als Führungskraft?  Wie begleite ich ein Onboarding optimal?

Das klären wir jetzt und hier!

erfolgreiches Onboarding ist mehr als Wissen vermitteln

Wie sieht ein optimaler Onboarding-Prozess aus?

Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst einmal wichtig zu klären: wozu dient ein Onboarding eigentlich genau?

Grundsätzlich geht es darum, die Produktivität und eine hohe Motivation des neuen Mitarbeiters von Beginn an sicherzustellen und seine Loyalität zu entwickeln. Im Einzelnen sind dafür die folgenden drei Bereiche entscheidend:

  1. Vertraut machen mit der neuen Aufgabe sowie den Strukturen und Prozessen im Unternehmen
  2. Einführung in die Unternehmenskultur
  3. Unterstützung im Kontakt mit neuen Kollegen

Das heißt, neben den inhaltlichen Faktoren, wie Aufgaben, Wissen über das Unternehmen und die Prozesse, ist auch die soziale Integration von entscheidender Bedeutung, denn sie wird am häufigsten vernachlässigt. Das „soziale Onboarding“ beginnt in der Regel erst mit dem ersten Arbeitstag, aber es gibt einige Dinge, die bereits davor starten können. Denn ein optimales Onboarding begleitet den neuen Mitarbeiter in drei Phasen.

Phase 1: Vor dem ersten Arbeitstag

Eigentlich ist es selbstverständlich, dass zumindest die Formalitäten geklärt sind und der neue Mitarbeiter einen vollständig eingerichteten Arbeitsplatz antrifft. Trotzdem stelle ich immer wieder fest, dass der gute erste Eindruck, den der Mitarbeiter vom neuen Arbeitsgeber erhält, gerade an solchen Kleinigkeiten scheitert. Daher hier nur ein kurzer Überblick der Onboarding-Basics.

Zu den Formalitäten, die bei Jobantritt geklärt sein müssen, gehört bspw. eine E-Mail, in der dem neuen Mitarbeiter vorab mitgeteilt wird, WANN er WO genau sein und bei WEM er sich melden soll.

Er muss einen voll ausgestatteter Arbeitsplatz mit allen Geräten und Zugriffsrechten vorfinden, um nicht seinen ersten Tag in der Warteschleife des IT-Helpdesks zu verbringen.

Außerdem sollte schon vorab klar definiert sein, wer alles in den Onboarding Prozess eingebunden wird und an welchen möglichen Schulungen der neue Mitarbeiter teilnehmen sollte.

Ebenfalls vorab muss klar sein, zu welchen wichtigen Terminen der neue Mitarbeiter bereits eingeladen wird und wen er treffen soll. Wer sind seine wichtigsten Stakeholder?

Die unmittelbaren Stakeholder sind natürlich die Kollegen im Team. Sie sollten stark eingebunden sein. Insbesondere wenn es sich um eine neue Stelle handelt, muss auch im Team vorab klar kommuniziert werden, welche Aufgaben der neue Mitarbeiter übernimmt und was sich dadurch für die anderen ändern wird, sonst entsteht leicht Verwirrung und Unmut.

Phase 2: Die erste Arbeitswoche

Mit dem ersten Arbeitstag beginnt dann neben der fachlichen Einführung die soziale Integration. Dazu gehören Vorstellungsrunden, 1zu1-Meetings mit wichtigen neuen Kollegen, die Einladung und Teilnahme an wichtigen Meetings, sowie gemeinsame Mittagessen, denn hier wird Unternehmenskultur spürbar. Überhaupt ist in dieser Phase nichts wichtiger, als Unternehmenskultur und Werte erlebbar zu machen, anstatt nur darüber zu präsentieren.

Der neue Mitarbeiter muss jetzt auch einen genaueren Überblick über seine Aufgaben und Projekte erhalten. Dazu gehört auch das Klären gegenseitiger Erwartungen: Wo liegt sein Handlungsspielraum? Welche Ziele soll er erreichen? Etc.

Phase 3: Die ersten 100 Tage

Aus der Literatur wie auch aus zahlreichen Praxisstudien wissen wir, dass die ersten 100 Tage im neuen Job entscheidend sind. Warum 100 Tage?

Nun, wir wissen, dass ein neuer Mitarbeiter, je nach Komplexität seiner Rolle, ca. 3 Monate benötigt, um wirklich produktiv zu sein. Je intensiver die Begleitung während dieser ersten Wochen ist, desto schneller kann er einen Mehrwert fürs Unternehmen schaffen. Dabei sind regelmäßige Feedbacks von entscheidender Bedeutung, und zwar von beiden Seiten. Einmal seitens der Führungskraft und auch seitens des neuen Mitarbeiters selber: Was braucht er/sie konkret, um richtig loszulegen?

Das bringt uns zur nächsten wichtigen Frage: Wer ist eigentlich zuständig für‘s Onboarding?

Wer ist für‘s Onboarding zuständig?

Die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration des neuen Mitarbeiters liegt gemeinsam bei HR Business Partner und Führungskraft, aber nach wie vor gilt: Integration ist Chefsache! Das heißt, dass als Chef spielst du die zentrale Rolle bei der fachlichen und sozialen Integration deines neuen Mitarbeiters. Du musst dir die Zeit nehmen und während der Einarbeitungsphase präsent sein. Natürlich musst du das nicht alleine tun, sondern kann bspw. auch einen „Paten“ bestimmen, das heißt, einen ersten Ansprechpartner für den neuen Mitarbeiter. Aber mit welcher Zeit und ehrlichem Interesse du als Chef die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters begleitest, entscheidet darüber, wie motiviert und leistungsbereit dieser ist.

Und was ist, wenn der Chef selbst „der Neue“ ist und Onboarding benötigt?

Wer übernimmt die Einarbeitung des Chefs?

Je höher das Einstiegslevel, desto mehr Eigeninitiative wird selbstverständlich von Mitarbeitern erwartet. Das hat zur Folge, dass in höheren Schlüsselpositionen oft die größten Onboarding-Lücken bestehen. Dort wird zu viel Wissen und Kompetenz vorausgesetzt. Führungskräfte müssen eben besonders schnell in die Wertschöpfung kommen. Dabei benötigen gerade neue Führungskräfte Unterstützung, sich im neuen sozialen Umfeld einzuleben, denn sie sind schließlich diejenigen, die dieses direkte soziale Umfeld, ihr Team, entwickeln und steuern. Dabei spielen gegenseitige Erwartungen eine große Rolle. Da aber die Erwartungen oder auch Feedback seitens der Mitarbeiter in der Regel nicht offen mit dem Chef geteilt werden, bedarf es hier besonderer Unterstützung, zum Beispiel in Form eines Mentors auf hoher Managementebene, sowie HR-begleiteter Onboarding-Workshops.

Führungskräfte Onboarding-Workshop

Gerade Führungskräfte müssen zu Beginn einen schwierigen Spagat hinlegen zwischen Zuhören und Lernen einerseits und Orientierung geben und neue Akzente setzen andererseits. Um diese Herausforderung zu bewältigen, haben sich aus meiner HR-Erfahrung heraus Onboarding-Workshops bewährt, die zum Beispiel von HR begleitet werden und bei denen es darum geht, dass sowohl die Führungskraft als auch das Team den Raum bekommt, wechselseitige Erwartungen zu formulieren, um anschließend den gemeinsamen Fahrplan zu entwickeln. Denn für die Führungskraft ist bspw. entscheidend zu wissen, wird ein „Weiter so“ erwartet oder schreit das Team nach Veränderung?

Nach einigen Wochen erfolgt dann ein erstes Follow-Up und gegebenenfalls eine Anpassung von Erwartungen und Vorgehen. Außerdem erhält jeder im Raum die Möglichkeit, anonymisiert, positives wie negatives Feedback mit der Führungskraft zu teilen. Denn durch diese Art des Feedbacks lernt die neue Führungskraft am schnellsten. In manchen Fällen, zum Beispiel wenn sich Konflikte anbahnen, kann es sogar Sinn machen, auf diagnostische Verfahren zurückzugreifen. Sie ermöglichen es, ein tieferes Verständnis für die Persönlichkeit und Motivationslage der Führungskraft zu entwickeln. Mit Hilfe von HR oder eines Coaches kann dann eine darauf abgestimmte Führungspraxis definiert werden, die auf die aktuelle Teamsituation abgestimmt ist.

Onboarding ist keine Einbahnstraße

Der Erfolg der Integrationsphase liegt allerdings nicht allein bei der Führungskraft, sondern auch beim neuen Mitarbeiter selber. Wenn du also selbst der/die Neue bist oder die Absicht hast, den Arbeitgeber zu wechseln, dann tust du gut daran, schon im Einstellungsprozess zu fragen, wie das Onboarding konkret aussieht, um ein Gefühl dafür zu bekommen: wie ist die Willkommenskultur? Wie ernst nimmt das neue Unternehmen die Integration? Wie hoch sind deine Chancen auf einen schnellen erfolgreichen Einstieg? Gleichzeitig signalisierst du so auch deine eigene Erwartungshaltung, die auch in den ersten Wochen eine wichtige Rolle spielt: Was brauchst du jetzt gerade, um deine PS auf die Straße zu bringen?

Natürlich können wir uns auch gemeinsam darüber Gedanken machen, wie du von Tag 1 an erfolgreich in deinem neuen Job startest oder wie du als Führungskraft deinem neuen Teammitglied das Gefühl gibst, sich genau für den richtigen Job und das richtige Unternehmen entschieden zu haben. Ich begleite dich gern dabei. Sprich mich einfach an!