Vereinbarkeitsfalle: Was sind mir Familie und Karriere wert?

Gemeinsamer Schmerzpunkt Vereinbarkeit

Anfang des Jahres bin ich nach meiner dritten Babypause mit einem Post zur Vereinbarkeitsfalle wieder bei LinkedIn und damit in meine Coachingarbeit eingestiegen. Der Post hat einen solchen Schmerzpunkt getroffen, dass mich das Thema Familie UND Karriere bzw. Familie VS. Karriere nun verstärkt umtreibt.

Erfolgreich im Job und in der Familie klappt nicht. Das ist die Vereinbarkeitsfalle.Ich habe inzwischen drei Kinder. Zwischen den Kindern gab es immer wieder kurze Arbeitsphasen in meiner HR-Rolle bei Henkel, meine Selbstständigkeit als Coach ist mitgelaufen. Ich kann es nicht anders sagen, aber ich habe diese Phasen, wo ich versucht habe, alles unter einen Hut zu bekommen, immer als Kampf empfunden. Als ich Anfang des Jahres nun nach meiner dritten Babypause wieder meine Coaching Arbeit aufgenommen habe, habe ich dieses Empfinden auch mal in einem Post auf LinkedIn zum Ausdruck gebracht. Dieser Post ging buchstäblich durch die Decke mit >84.500 Impressionen und >260 Kommentaren.

Ich war …

…überrascht (dass so viele ähnlich empfinden und es endlich mal laut ausgesprochen haben)

…erleichtert (dass ich mit diesem Empfinden nicht allein bin)

…frustriert (dass Vereinbarkeit nach wie vor ein ungelöstes Problem v.a. für uns Mütter darstellt, obwohl häufig so getan wird, als wäre Vereinbarkeit schon Alltag)

Vereinbarkeit ist mehr als nur arbeiten nebst Familie

Wobei sich natürlich die Frage stellt, was bedeutet Vereinbarkeit eigentlich für mich?

Schaffe ich es nebst Familie noch zu arbeiten? JA, aber das ist keine Vereinbarkeit für mich.

Vereinbarkeit bedeutet für mich, dass ich Familie und Beruf gut unter einen Hut bekomme. Und das heißt, dass ich

  • nicht einfach irgendeinen Job für Geld mache, nur weil er familienkompatibel dafür aber weniger anspruchsvoll ist
  • nicht permanent ein schlechtes Gefühl habe: es reicht nicht!

Da sind wir aber leider noch lange nicht, das haben mir auch die vielen Kommentare auf LinkedIn gezeigt.

Vereinbarkeit jenseits der Instagram-Fassade

Fairerweise muss man sagen, das liegt natürlich nicht nur an mangelnden Betreuungsmöglichkeiten und flexiblen Arbeitsmodellen. Das liegt vor allen Dingen an unserem eigenen Anspruchsdenken. Das wiederum wird befeuert durch das, was wir rechts und links von uns wahrnehmen und von außen immer ganz toll aussieht: die Chefin, die Karriere nebst drei Kindern macht, die französischen Kolleginnen, die selbstverständlich nach drei Monaten in Vollzeit zurückkommen, … Es gibt viele solcher Beispiele. Bei mir bleibt dann das Gefühl: Warum empfinde ich das als so anstrengend?  Warum bekomme ich das nicht besser hin?

Inzwischen weiß ich: Ich darf nicht die äußeren Highlights der anderen mit meiner eigenen inneren Realität vergleichen!

Denn das, was wir vielleicht als begehrenswert wahrnehmen ist nur die Instagram-Fassade der anderen. Entscheidend ist aber der Blick dahinter und dann sind wir ganz schnell bei den Kompromissen, die jeder von uns eingehen muss. Der eine macht Karriereabstriche und „gönnt“ sich 2 Jahre Elternzeit, danach Teilzeit. Der andere, stellt eine Kinderfrau an, um wieder Vollzeit arbeiten gehen zu können. Bei wieder anderen springt vielleicht der Partner stärker ein. Es gibt eine Vielzahl an Lebens- und Arbeitsmodellen. Wichtig ist, herauszufinden: welches Modell passt für mich?

Dieser Aspekt kommt mir regelmäßig zu kurz in den Diskussionen. Stattdessen versucht jeder, das eigene Modell zu pushen. Dahinter steckt das Bedürfnis, sich für das eigene Modell rechtfertigen zu müssen, weil sich bei jedem leise Zweifel einschleichen: Tue ich hier eigentlich das Richtige?

 

Alles ist möglich, aber nicht auf einmal

Einer der häufigsten Kommentare auf LinkedIn war: Alles ist möglich, aber nicht auf einmal!

Dem wird objektiv sicher jeder zustimmen. Trotzdem versuchen wir, alles unterzubringen. Ich beobachte das bei mir selbst wie bei meinen Kunden: Fakt ist, wir machen alle nicht gerne Abstriche. Denn zwischen etwa 30 und 40 befinden wir uns in der Rushhour unseres Lebens. Familienplanung, Immobilie, Weichenstellung für die weitere Karriere, am besten muss alles auf einmal passieren, bloß keine Fehler machen. Dabei ist wohl der größte Fehler, den wir hier machen können, alles auf einmal zu wollen. Das überfordert uns schlichtweg, macht uns unzufrieden und im schlimmsten Fall krank.

Im Coaching arbeite ich mit meinen Kunden deshalb zu Beginn an ihren Werten:

  • Was ist mir wichtig?
  • Was treibt mich an?
  • Worauf möchte ich auf keinen Fall verzichten?

Und dann bitte ich sie, auch mal die anderen zu fragen: Was ist dir denn besonders wichtig? Und, Hand aufs Herz, womit haderst du manchmal? Ich verspreche, ein solches Gespräch entlastet ungemein. Denn es wird dann schnell klar: Legen wir Wert auf dasselbe? Wäre ich auch bereit, Das zu investieren und dafür Diese Abstriche zu machen?

Wenn die Antwort auf beide Fragen „Ja“ ist, dann können wir konkreter werden und in die eigene Umsetzungsplanung gehen.

Bei den meisten meiner Kunden stellt sich allerdings heraus: Nein, sie möchten eigentlich etwas anderes und dieser Spur gehen wir dann so lange nach, bis wir dieses etwas konkret haben.

Eure Tipps zur Vereinbarkeit

Weitere häufig genannte Tipps und Kommentare zur Vereinbarkeit, die auf LinkedIn genannt wurden, waren:

Genieß‘ die Zeit mit deinen Kindern, sie kommt nicht wieder!

Lustigerweise haben das überraschend viele Männer gesagt und man könnte das kritisch hinterfragen: Ihr habt gut reden! Vereinbarkeit ist eben nach wie vor eher eine Herausforderung für die Mütter. Interessanter finde ich allerdings die Beobachtung, was dieser Satz mit mir macht: Er baut Druck auf: „Oh Gott, ich muss die Zeit mit meinen Kindern maximal ausnutzen. Was mache ich hier eigentlich gerade?“ Ich will bloß nicht aufs falsche Pferd setzen und etwas Entscheidendes verpassen! Das bringt mich also wieder zum Punkt oben: Alles ist möglich, aber nicht auf einmal. Ich muss mich ent-scheiden. Und das heißt auch immer, dass ich etwas loslasse, sei es die Vorstellung eines schnellen Aufstiegs auf der Karriereleiter oder die der „perfekten“ Mutter, die alle entscheidenden Entwicklungsphasen ihres Kindes begleitet.

Ein weiterer Tipp aus der LinkedIn Community:

Achte gut auf dich! Denn wenn es dir schlecht geht, dann leidet auch deine Familie.

JA! Finde ich ganz wichtig. Vor lauter Gedanken darüber, wem oder was wir gerecht werden wollen, werden wir uns selbst oft am aller wenigsten gerecht. Ich habe z.B. im Januar wieder damit angefangen, 15 Min. Yoga-Morgenroutinen zu praktizieren mit Videos von Mady Morrison. Ein toller Energizer für mich als Start in den Tag, der mich nicht viel Aufwand kostet. Ich fordere meine Kunden daher auch immer auf, darüber nachzudenken, was ihnen Energie verleiht, was ihr Ausgleich ist. Erschreckenderweise haben viele das Gefühl dafür verloren.

Nächster häufig genannter Tipp:

Bau‘ dir ein Support-Netzwerk auf!

Auf jeden Fall! Immer weniger Familien wohnen in Großeltern-Nähe und können konstant auf ihre Unterstützung bauen. Neulich habe ich von einer Studie in den USA gelesen. Dort hat man herausgefunden, dass jene Frauen, die im 30-km Umkreis ihrer Eltern/Schwiegereltern wohnen, signifikant häufiger berufstätig sind. Keine wirkliche Überraschung, denn wir können nur dann guten Gewissens arbeiten, wenn wir wissen, dass unser Kind im Krankheitsfall oder bei längeren Arbeitstagen gut versorgt ist. Viertes und erstes Quartal 2022/2023 waren für mich bspw. extrem schwierig, weil mindestens eines meiner Kinder krank war oder die Kita im Streik war oder wegen Personalmangels geschlossen hatte. Da habe ich mich dann schon gefragt: Wie soll da normales arbeiten möglich sein? Seither sind Babysitter und Absprachen mit den Nachbarn für mich also das Mindeste, um fehlende Großeltern in der Umgebung zu ersetzen. Aber ich bin mir persönlich auch darüber im Klaren: Ich möchte die Betreuung meiner Kinder nicht outsourcen, denn Familie ist für mich einer meiner top 3 Werte.

Und der letzte, der am häufigsten genannten Tipps unter den vielen LinkedIn Kommentaren:

Setz‘ klare Prioritäten!

Klar, nie falsch. Verlangt aber auch Klarheit über die eigenen Werte, denn wie soll ich sonst ent-scheiden, womit ich mich beschäftige und was ich hintenanstelle?

Wenn du dir dieselben Fragen stellst und dir mehr Klarheit über dein passendes Lebens- und Karrieremodell wünschst, dann lass uns doch einfach mal unverbindlich miteinander sprechen!